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Acrylamid – Sind Bratkartoffeln, Pommes und co. Gift?

TunnelSchweden 1997: Bauern bemerken, dass ihre Kühe gelähmt auf den Weiden stehen. Manche Tiere verenden innerhalb kurzer Zeit. In einem nahe gelegenen Teich treiben plötzlich tote Fische. Die besorgten Anwohner fragen die Behörden nach der Ursache.

Diese wird im Bauprojekt des Hallandsasen-Tunnels gefunden, welcher die Verbindung Göteborg-Malmö vereinfachen soll. Die Arbeiten an dem, seit 1993 im Bau befindlichen, Tunnel werden durch starke Wassereinbrüche immer wieder verzögert. Die Lösung: eine polyamidhaltige Dichtungsmasse. Polyamid ist ungiftig und findet häufig Anwendung, so zum Beispiel als Stabilisator in Kosmetika…

Obwohl einige Arbeiter über taube Hände und Füße klagen, werden diese Erscheinungen nicht Ernst genommen. Erst nach Meldung der Bauern und Anwohner wird die Vergiftung des Grundwassers erkannt. Inzwischen wurden bereits 1500t Dichtungsmasse verarbeitet und bei der Herstellung des Polyamids sind Spuren des Einzelstoffes Acrylamid nicht zu verhindern. Bei der Ermittlung des Schuldigen wird jedoch herausgefunden, dass der Anteil an Acrylamid in der Dichtungsmasse falsch berechnet wurde. 1000 kg Acrylamid sind inzwischen in das Gestein gepumpt worden. Trinkwasser, Gemüse und Milch sind vergiftet, über das gesamte Gebiet wird der Notstand verhängt. Klagen, Schadensersatz, ökologische Säuberung und medizinische Betreuung über Jahre hinweg sind die Folge. Der Bau des Tunnels kann erst 2004 wieder aufgenommen werden und soll 2015 beendet sein.

Zahlreiche Untersuchungen werden durch diesen Vorfall eingeleitet, um zu ermitteln, worin Acrylamid enthalten ist. 2002 dann die erschreckende Diagnose:

pommes mann Frühstückscerealien, Kaffee, Chips, Knäckebrot, Pommes, Kartoffelpuffer, Spekulatius, Kekse, Salzstangen und Bratkartoffeln! Hier übrigens Werte im Mikrogrammbereich pro Kilogramm.

Gemeinsam haben all diese Produkte, dass sie Stärke enthalten und bei hohen Temperaturen zubereitet werden.

Wie wirkt Acrylamid?

Es schädigt das Nervensystem, es beeinträchtigt die Fortpflanzung, es ruft Tumore hervor und schädigt das Erbgut. Da Acrylamid sehr gut wasserlöslich ist, gelangt es schnell in die Blutbahn und verteilt sich im ganzen Körper. Auch die Plazentaschranke und die Milchdrüsen stellen kein Hindernis dar und ermöglichen den Transfer zum Kind.

Ein großer Teil bindet sich am Hämoglobin und wird von dort aus enzymatisch zu Glycidamin umgewandelt. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Weit gefehlt. Glycidamin ist noch weit reaktiver und dadurch gefährlicher, wie Untersuchungen zwischen den Auswirkungen beider Stoffe ergeben haben.

Doch wir haben ja unsere Entgiftungsanlage – die Leber und die Nieren. Diese filtern auch das Glycidamin aus unserem Körper. Zuviel eines Giftes überfordert jedoch unser System und unsere Filteranlage macht schlapp. Dies gilt es zu vermeiden – also senken wir die Zufuhr des Giftstoffes!

Seit die teilweise sehr starke Belastung der Lebensmittel bekannt geworden ist, haben die Hersteller sich bemüht, die Acrylamidkonzentration zu verringern. Durch Änderung der Herstellungsverfahren konnte diese zum Beispiel für Chips, Spekulatius und Zwieback um 30% gesenkt werden. Schlüsselfaktoren sind frische, stärkearme Ausgangsstoffe, niedrigere Temperaturen und schonendere Verarbeitung.

Erstaunlich ist, dass in No-Name-Produkten der Acrylamidgehalt schneller und stärker gesunken ist, als bei Markenprodukten. Die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel erklärt dieses Ergebnis damit, dass „die Markenhersteller […] geänderte Rezepturen und Verfahren [scheuen], weil das zumindest ein wenig Auswirkungen auf den Geschmack haben wird. Von No-Name-Produkten erwartet der Verbraucher viel weniger eine gleich bleibende Geschmacksqualität“

Da lob ich mir Tipp, A&P, ja! und Co: billig, lecker und “gesund”.

Und wenn ich nun meine Bratkartoffeln weiter essen möchte?

Dann halte ich mich an die einfachsten Kochregeln:

  1. Frische Kartoffeln: enthalten weniger Stärke als gelagerte
  2. Austrocknen vermeiden: Kartoffeln vorkochen. Außen knusprig innen weich.
  3. die gute alte Butter: Öl erreicht höhere Brattemperaturen und damit den größeren Acrylamidgehalt

Na dann, guten Appetit!

Weiterführende Links:

Krebsgefahr durch Pommes? (2002 Spiegel.de)

Foodwatch pranger Gift in Chips an (2008 Spiegel.de)

Gift im Essen (Stern.de)

Quellen und Bildnachweise:

Text zusammengefasst aus: Expedition in die Wissenschaft. Sach- und Spaßgeschichten aus Chemie und Biologie, WILEY-VCH 2006, S 261-275.

Tunnel-Bild: tyne tunnel (squared) by Thunderchild tm

Pommes-Mann-Bild: Scary french fries man by Mattias H

3 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

  1. Martin sagt:

    Hier gilt wie immer: „die Dosis macht das Gift!“ Also loggä bleibe und weiterhin Bratkartoffeln, Chips & Co. verspeisen. Unsere Lebenserwartung wird eh‘ immer höher, also kann das alles nicht soooo schädlich sein (außer, man füttert jemanden mit 10 g/kg Körpergewicht täglich mit Acrylamid). Ist meine Meinung als Chemielaborant 🙂

    @Alper: Mnjam! Ich hätte jetzt auch gerne einen Teller duftender Bratkartoffeln vor mir 🙂 Und das Acrylamid würzt das Ganze ungemein, aber hallo 😀

  2. Frauenversteher sagt:

    Trodtzdem finde ich echt Super das das Thema immer mal wieder angesprochen wird, hatte schon zeitweise das gefühl es haben alle vergessen das es Acrylamid gibt bzw. was es ist.

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