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Ein Wutausbruch zum Thema „Welchen Sinn hat das?“ und „Das braucht kein Mensch“

Liebe Leute, ich muss mir mal wieder Frust von der Seele schreiben.

Es kann doch nicht sein, dass ihr alle in der Marktforschung, in der Zukunftsforschung oder gar in der Sinnforschung tätig seid.

Es geht mir GANZ DERBE auf die Eier, wenn ich irgendwas poste (Blog, Facebook, Twitter, Google+ etc.) und dann darunter lesen muss „Welchen Sinn ergibt das denn?“ oder „Das braucht kein Mensch“. Manchmal hilft es wirklich entweder vorher nachzudenken oder die Fresse zu halten.

Ich will euch mal ein paar populäre Beispiele dafür geben, wie sehr man sich mit „Braucht kein Mensch“ in die Scheiße setzen kann:

„Es gibt keinen Grund, warum irgend jemand einen Computer in seinem Haus wollen würde.“
-Ken Olson, Präsident, Vorsitzender und Gründer von Digital Equipment Corp., 1977

„Nach Öl bohren? Sie meinen Löcher in die Erde bohren und hoffen, dass Öl rauskommt? Sind Sie verrückt?“
-Ein Banker, der dazu aufgefordert wurde, eine der ersten Ölbohrungen in den USA zu finanzieren

„Die drahtlose Musikbox hat keinen denkbaren kommerziellen Wert. Wer würde für eine Nachricht bezahlen, die zu niemanden direkt gesendet wird?“
-David Sarnoff’s Antwort Kompagnons in Rückmeldung zur Investition in das Radio in den 1920ern

home computer

Öffnet doch einfach mal eure kleine, anscheinend so furchtbar beschränkte Welt und stellt euch einfach mal vor, was alles so möglich ist. Seid offen für neues! Denn:

„Es gibt nichts Neues mehr. Alles, was man erfinden kann, ist schon erfunden worden.“
Charles H. Duell, US-Patentamt 1899

Der gute Herr Duell würde sich heute verwundert umschauen, was noch so alles erfunden wurde.

Klar, vieles was wir jetzt gerade sehen und was täglich im Internet an Prototypen und Konzepten auf uns niederprasselt ist noch nicht ausgereift. Der ganze 3D-Kram beispielsweise. Aber würde sich niemand der Verbesserung des Filmerlebnisses annehmen, würden wir heute noch Stummfilme anschauen. Wäre irgendwie blöd oder? Ich kann es jedenfalls kaum abwarten, endlich in geiler Qualität 3D zu Hause ohne Brille sehen zu können. Oder faltbare OLED-Displays, was damit alles möglich wäre! Wahnsinn.

Und zu der „Das macht doch alles keinen Sinn“ Frage: Muss denn immer alles begehrenswerte einen Sinn ergeben? Welchen Sinn ergibt denn ein Sportwagen, eine teure Uhr oder gar das ganze Hello Kitty Zeug? Gar keinen, alles Rohstoffverschwendung. Trotzdem nice to have oder zu sehen.

Also Leute. Öffnet euch. Seid bereit für neues. Aufhalten lässt sich das alles eh nicht. Und ansonsten gilt: Erst nachdenken oder ggf. Fresse halten, wenn ihr nicht wirklich was zu sagen habt.

Ich will natürlich niemand seiner Meinungsfreiheit berauben oder Dialoge abwürgen. Aber manchmal sollte man ganz einfach mal eine Minute über das, was man da so sieht, nachdenken.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Weitergehen.

Kleines Update: Lest euch zu dem Thema auch unbedingt den wirklich guten Artikel von Kathrin Passig durch: Standardsituationen der Technologiekritik. Danke für den Tipp Marinelli

Foto CC by Deemonita

95 Kommentare Neues Kommentar hinzufügen

      1. So habe auch das auch verstanden. Wenn jemand selbst etwas nicht braucht oder will, muß er das ja niemandem ausreden. Das nervt dann erheblich. Da wüßte ich tausend Beispiele, aber dann platzt Deine Datenbank. Ich reiche den Rant jedenfalls weiter.

      2. Mort sagt:

        Wobei da, wie du schon oben geschrieben hast, ohnehin eher Verlangen als echter Bedarf die Verkaufszahlen bestimmen.
        Würden nur die Leute schnelle Autos kaufen, die sie brauchen, würde Daimler nur noch Smarts und A-Klasse herstellen… Und Spielkonsolen hätten nur ein paar Käufer gefunden, bei denen das ärztlich zur Verbesserung der Auge-Hand-Koordination empfohlen wurde. 😉
        „*Will* ich nicht“ wäre wohl schon näher an der Wahrheit.
        Und ich befürchte, allzu oft ist „brache ich nicht“ bzw. „bracht niemand“ nur eine verbitterte rationelle Selbstzurechtweisung, weil man den 100″-3D-Fernseher ohne Brille, das 5GHz-Multicore-Smartphone mit ausklappbarem 7″-Display und den neuen BMW eigentlich schon gerne hätte, der Arbeitgeber sich aber blöderweise weigert, ein 6stelliges Monatsgehalt zu zahlen. Und die beste Frau/Freundin von allen sowieso sinnvollere Ausgabemöglichkeiten vorzieht, wie z.B. das 50. Paar Schuhe.

  1. muehsi sagt:

    Nun, prinzipiell hast du schon Recht. Wirklich brauchen tun wir vieles auch wirklich nicht – es ging früher auch ohne das Internet, aber es erleichtert viele Dinge unheimlich!

    Andere Dinge braucht man auch nicht, aber wenn nur eine Person Spaß daran hat, hat es sich schon gelohnt. Denn dann hat man eine Person für eine kurze (oder lange) Zeit glücklich gemacht. Ist doch schön? Sehe das Problem nicht, ALLES kann irgendwie verwendet werden und hat einen entsprechenden Nutzen.

    Danke für den Beitrag gilly, stimme Dir weitgehend zu!

  2. Benno sagt:

    AMEN GILLY!

    Ich für meinen Teil versuche zu sagen „ICH brauche das nicht“, meistens habe ich aber gemerkt, dass ich dann doch froh bin wenns da ist. Aktuelles Beispiel: Android Tablets 😉

    DANKE!

    1. Mort sagt:

      Och, zu Android Tablets (bzw. Tablets generell) sage ich immer noch, dass ich sie nicht brauche. Aber manche Sachen machen darauf doch mehr Spaß als auf Netbook oder Smartphone, z.B. angepasste Spiele oder Mails lesen (beantworten allerdings doch lieber auf dem Netbook, da ich noch kein Dock habe…).
      (Wobei ich das Tablet ja schon irgendwie auch „brauche“, weil der Emulator leider unbenutzbar lahm ist und meine App doch irgendwann weniger hässlich darauf aussehen sollte…)

  3. marcel sagt:

    stimmt absolut, aber eigentlich auch nicht so schlimm. niemand kann in die zukunft schauen und auch die nein-sager sind ab und an wichtig. passieren wird es sowieso.

    und ein bisschen stimme ich mit dem patentamts-menschen überein: wirklich neues erfunden wurde im vergleich wirklich wenig. nur patentiert wurde viel. aus geldgier.

  4. ToBa sagt:

    Macht doch gar keinen Sinn, was du hier schreibst. Das braucht doch kein Mensch.

    SCNR 😉

    Aber im ernst, laut führenden Internetforschern (aka Sascha Lobo) die sich der Trollforschung zugewandt haben, ist das Trollen ja sogar wichtig für die Gesellschaft und das gilt sicher auch für das „Macht doch gar keinen Sinn“ – Getrolle. Möglicherweise fühlte sich jemand von dem „Es ist doch schon alles erfunden worden“ – Spruch so dermaßen motiviert, dass er es Charles H. Duell mal so richtig zeigen wollte und jetzt aber erst recht was erfunden hat. Wer weiß, vielleicht hätte ohne Duell tatsächlich niemand mehr etwas erfunden …

    Äh, oder so 😉

  5. Olli sagt:

    Wie recht du doch hast. Aber ich glaube, jeder erwischt sich selbst ab und zu dabei, wenn er etwas neues liest und sich denkt: diesen scheiß, den braucht doch eh keiner. Später zumindest bemerkt man dann eventuell den irrtum. Heißer scheiß sozusagen gewesen 🙂

      1. Joerg sagt:

        Yepp, das ist genau der entscheidende Punkt, es kann doch jeder posten, was er will, wenn es nicht wenigstens für ihn irgendwie von Belang wäre, würde er sich kaum die Mühe des Posts machen. “Warum postest du das? Braucht kein Mensch!” ist irgendwie eine Nullaussage, die wirklich überflüssig ist.

        Ich hab übrigens mal die Meinung vertreten, Twitter, sowas braucht kein Mensch, heute finde ich das durchaus gewinnbringend. An „Sag niemals Nie“ ist schon was dran.

    1. Joerg500 sagt:

      Yepp, das ist genau der entscheidende Punkt, es kann doch jeder posten, was er will, wenn es nicht wenigstens für ihn irgendwie von Belang wäre, würde er sich kaum die Mühe des Posts machen. “Warum postest du das? Braucht kein Mensch!” ist irgendwie eine Nullaussage, die wirklich überflüssig ist.

      Ich hab übrigens mal die Meinung vertreten, Twitter, sowas braucht kein Mensch, heute finde ich das durchaus gewinnbringend. An „Sag niemals Nie“ ist schon was dran.

  6. wellenreiter sagt:

    „Haben ist besser als brauchen.“ 🙂

    Einer meiner Lieblingssprüche. Muss mir endlich mal ein T-Shirt mit dem Spruch holen.

      1. Peter sagt:

        Sinn macht sowieso nichts. Entweder etwas hat Sinn oder nicht. „Sinn“ und „machen“ passen einfach nicht zusammen. Das Verb „machen“ hat die Bedeutung von fertigen, herstellen, tun, bewirken; es geht zurück auf die indogermanische Wurzel mag-, die für „kneten“ steht. Das erste, was „gemacht“ wurde, war demnach Teig. Etwas Abstraktes wie Sinn lässt sich jedoch nicht kneten oder formen. Er ist entweder da oder nicht. Man kann den Sinn suchen, finden, erkennen, verstehen, aber er lässt sich nicht im Hauruck-Verfahren erschaffen.

        http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,261738,00.html

  7. Peter sagt:

    Das mehr oder weniger selbstgefällige „Wer braucht das schon?“ ist in erster Linie nur das einnehmen einer Pose, eine Selbstdarstellung, für die man nichts leisten, können, erstellen, erzeugen muss. Gleichzeitig ist es eine Art, sich selbst Puderzucker in den Arsch zu blasen, weil man all jene, die sich für die eine oder andere Innovation interessieren, durch ebendiese scheinkritische Frage geringschätzt, und Geringschätzung anderer ist die billigste Methode, sich als etwas besonderes zu fühlen.

    Es gibt vieles, das ich nicht brauche, aber meine Freiheit von der Notwendigkeit, die andere vielleicht empfinden mögen, erhebt mich nicht über meine Mitmenschen.

    Ergo: Postings und Artikel, die auf das berühmte „Wer braucht schon den Scheiß?“ sind eigentlich textverschwendende Nullnummern, da sie zu keiner neuen Erkenntnis beitragen, noch Ansichten vermitteln sondern allein dem Verfasser dienen, zu posieren. Und dafür ist mir dann meine Zeit doch zu schade 🙂

    Liebe Grüße,
    Peter

  8. Perun sagt:

    Ich kenne das von mir selber. Ich habe in März 2007 einen Twitter-Account erstellt und nach ein paar Tagen geschlossen mit dem Satz „wer braucht so’n Scheiss?!“

    Einige Wochen später habe ich dann einen zweiten Account erstellt, den richtigen Leuten gefolgt und dann kam das aha-Erlebnis.

    Es reicht, wenn man versucht den ersten Reflex in uns in Zaum zu halten, sich ein bisschen zu öffnen und bei den meisten Sachen kommt die Erkenntnis von selber oder es bleibt bei „ist interessant, aber ich brauche es wirklich nicht“.

  9. MC Winkel sagt:

    hm, dann hast Du die falschen Leser. Also die, denen der Zugang für den funky stuff schlicht fehlt. Oder die Fantasie. 🙂
    Aber ich kenne das auch, ärgere mich dann auch immer tierisch…

  10. Per sagt:

    Insgesamt kann ich das nachvollziehen und finde das super, dass du dich noch so empören kannst.
    Grundsätzlich ist diese Haltung aber einfach nur das wörtlich ausgedrückte Information-Filtersystem (wenn ich das mal pseudowissenschaftlich bezeichnen darf) von Menschen, die mit bestimmten Informationen nicht anfangen können.

    Dass das aber nicht auch noch in „Wer braucht sowas“ ausgesprochen werden muss, versteht sich von selbst.

    Aber ich wette, du hast nie deine Lehrer gefragt: „Wieso müssen wir das jetzt wissen“, oder? 😉

  11. Linda sagt:

    das aktuellste beispiel was mir dazu einfällt ist das ipad.. wie oft musste man sich anhören „das ist doch nur n zu groß geratenes iphone, nur ohne telefonieren.. wer braucht denn sowas.. das wird kein mensch kaufen..“ .. naja, die verkaufsstatistiken sprechen für sich denke ich.. ich kann dich da verstehen, aber versuch solche engstirnigen kommentare doch einfach auszublenden.. es gibt halt zu viele dumme und beschränkte menschen und man kann leider nicht viel gegen sie tun.. aber mal gut, dass du dir da luft gemacht hast..

  12. Sebastian sagt:

    Seit langem mal wieder ein wirklich guter Beitrag in meinem Feedreader.
    Ob Sinn oder nicht, deine Beispiele zeigen es eigentlich gut auf welchen Sinn Dinge und die Beschäftigung mit diesen machen und wenn ein einziger Mensch sich damit beschäftigen kann, dann macht es einen Sinn für eben diesen, auch wenn dieser Sinn sich anderen vielleicht nicht erschliesst.

  13. Uljanow sagt:

    Die wichtigste Erkenntnis hast Du ja selbst schon zum besten gegeben: „… alles Rohstoffverschwendung. Trotzdem nice to have oder zu sehen …“

    Ihr Nice-to-have-Typen macht für Pillepalle unsere Umwelt kaputt. Also ich will nicht zu Euch Plastikjunkies dazugehören.

  14. Uljanow sagt:

    Noch eine Ergänzung: Es gibt keine Erfindung, die nicht irgendein Problem gelöst hätte ohne dabei einen Rattenschwanz neuer Probleme zu erzeugen.

    Das ist nicht mal von mir, sondern (zumindest sinngemäß) von irgendeinem dieser Schlausatzpublizisten.

    Bescheidenheit, Zurückhaltung oder Beschränkung auf das Wesentlich passen aber nunmal nicht in Gesellschaftssystem, die sich lediglich über den Verbrauch von Ressourcen definieren.

  15. Chris sagt:

    Toller Artikel und full ACK!
    Sicher erwischt sich jeder mal dabei, wie er sich beiläufig bei einem Blogpost, Zeitungsartikel, einer TV-Sendung oder einem Twitter-Post denkt „Wer braucht das bitte?!“. Wenn es beim Denken bleibt ist es soweit i.O., wenn man sich danach kritisch damit auseinandersetzt und es in einen sinnvollen Blogpost verwandelt und dabei sorgfältig Pro und Kontra abwägt und darstellt, warum man etwas für „sinnlos“ hält ist das auch noch i.O. , wenn man aber ohne Sinn und Verstand schreibt „Das braucht nun wirklich kein Mensch“, dann hört es auch bei mir auf!

  16. Mikhail sagt:

    Sehr schöner Artikel. Ich erwische mich so häufig dabei, etwas als unnötig und nicht brauchbar abzutun, als ich davon zum ersten Mal höre/lese, dann vergehen ein paar Tage und plötzlich sehe ich das Ganze aus einem ganz anderen Winkel. Ich denke mal, dass die Zeit unglaublich hilfreich ist. Man muss einfach unterdrücken, dass etwas neu ist und neue Dinge nicht direkt als schlecht ansehen. In vielen Dingen steckt einfach so viel Innovation und wie sagte Steve Jobs einst:
    „Sometimes when you innovate, you make mistakes. It is best to admit them quickly, and get on with improving your other innovations.“

    Ich denke, dass das Zitat selbstredend ist.

  17. Marcel sagt:

    Danke Gilly, du sprichst mir aus der Seele. Worüber ich mich aber jedesmal köstlich amüsiere, ist wenn genau diese Leute die sagen: „Das braucht kein Mensch“ im Nachhinein immer blöde aus der Wäsche gucken wenn die Technik zum Standard wird und sie nicht mehr hinterher kommen. Vor allem dann wenn es sich noch auf das Berufsleben auswirkt.

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